Interview
Krebs und Psyche in Zeiten von Corona
Im Interview mit Dipl. Psych. Dr. Bianca Senf, Leiterin Psychoonkologie, Universitäres Centrum für Tumorerkrankungen – UCT, Universitätsklinikum Frankfurt
von DKMS LIFE am
Mit welchen zusätzlichen Herausforderungen haben Krebspatienten und ihre Angehörigen durch Corona zu kämpfen?
Krebspatientinnen, insbesondere, wenn sie sich in Therapie befinden, leiden häufig unter der Angst, sich mit Krankheitserregern anzustecken. Liegt eine Infektion vor, können Therapien nicht im vorgegebenen Rhythmus durchgeführt werden. Dies wiederum erhöht die Angst, dass die Krebserkrankung nicht sicher geheilt werden kann oder nicht so wirksam ist, wie erhofft. Unter Corona-Bedingungen hat sich die Belastung hier drastisch erhöht. Auch machen sich viele Patientinnen Sorgen, dass sie bei einer Corona-Erkrankung besonders gefährdet für erschwerte Verläufe sind bzw. rascher an SARS-CoV-2 versterben könnten.
Vor besondere Herausforderungen sind Krebspatientinnen gestellt, die minderjährige Kinder haben: „Soll/kann ich mein Kind in die Schule schicken und habe ich dann ein erhöhtes Risiko, dass mein Kind sich ansteckt und den Virus an mich weiter gibt?“ „Ich kann mein Kind doch nicht Monate lang von der Schule fernhalten aus Angst, dass es sich vielleicht anstecken könnte. Was passiert, wenn mein Kind mich ansteckt? Macht mein Kind sich dann schwere Vorwürfe?“
Besonders schwer ist die Situation auch für Patientinnen, die längere Zeit stationär bleiben müssen und keinen Besuch erhalten können. Umgekehrt gilt das natürlich auch für die Angehörigen.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie aktuell auf Ihre Arbeit als Psychoonkologin?
Viele psychoonkologische Angebote mussten zunächst eingestellt werden, so z. B. die ambulanten Gruppenangebote, die Sporttherapie bzw. ambulante Gespräche überhaupt. Gerade zu Beginn gab es vorwiegend nur Kriseninterventionen. Die andauernde Präsenz (Liaisondienst) auf Station musste für einige Wochen ganz eingestellt werden. Viele Patientinnen hatten auch Sorge, zu ambulanten Gesprächen in die Klinik zu kommen aus Angst, sich anzustecken. Die Umstellung auf Telefonkontakte oder Videogespräche fordert eine ganz eigene Präsenz und ist recht anstrengend. Auch ist es in dieser Zeit nicht möglich, Kontakte so zu gestalten, wie es für erforderlich gehalten wird. Die Vorgabe, den ganzen Tag mit Mund-Nasenschutz Gespräche zu führen, erschwert den Kontakt zu den Patientinnen zusätzlich. Dies wird als belastend empfunden. Auch die Beratungsarbeit im Home Office stellt Psychoonkologinnen, die selbst Kinder im Haushalt haben, vor immense Herausforderungen.
Gibt es neue Schwerpunkte in Ihrer psychoonkologischen Beratung?
Insgesamt haben sich wie eben erläutert die Belastungen der Patientinnen verschoben und es werden viele Fragen zur Zukunft gestellt, falls die Pandemie andauert. Die Patientinnen haben nun die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Kontaktformen zu wählen – also dem Gespräch in der Klinik oder per Telefon oder Video-Call. Für betroffene Mütter oder Väter wurde ein gänzlich neues Angebot etabliert, nämlich Hausbesuche (unter den vorgegebenen hygienischen Bedingungen). Dies wird wirklich sehr, sehr dankbar aufgenommen.
Zurzeit kann DKMS LIFE die „look good feel better“ Kosmetikseminare nicht mehr vor Ort im Universitätsklinikum Frankfurt und anderen medizinischen Einrichtungen veranstalten. Als Alternative wurden die Online-Kosmetikseminare ins Leben gerufen, an denen die Krebspatientinnen aus den eigenen vier Wänden teilnehmen können. Wie schätzen Sie dieses Angebot ein?
Ich finde die look good feel better Online-Kosmetikseminare von DKMS LIFE ein großartiges neues Angebot. Natürlich ist der direkte Kontakt fast immer besser, aber zur Alternative, die Seminare ausfallen zu lassen, ist das ein sehr gutes Angebot. Gerade unsichere Patientinnen im Hinblick auf Ansteckung werden von dieser Alternative profitieren.
Wie kann das Angebot der look good feel better Kosmetikseminare allgemein den Krebspatientinnen helfen und sie während der Therapie im Kampf gegen den Krebs unterstützen?
Es gibt zwei wichtige Aspekte, wie die Kosmetikseminare den Patientinnen helfen können: Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Seminare auch einen gewissen „Selbsthilfegruppen-Charakter“ haben, da sich die Teilnehmerinnen untereinander austauschen können. Und zum anderen ist es so, dass sich die Frauen durch die gezielte Beratung der geschulten Kosmetikexpertinnen, wie man mit den äußerlichen Veränderungen im Gesicht und den Haarverlust umgehen kann, deutlich besser fühlen.