Interview

Krebs und Corona - eine Zeit voller Hürden

Interview mit Dr. Beate Rautenberg, Oberärztin, Klinik für Frauenheilkunde, Universitätsklinikum Freiburg

von DKMS LIFE am

Als Oberärztin der Klinik für Frauenheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg behandelt Dr. Beate Rautenberg nicht nur zahlreiche Krebspatientinnen, sondern unterstützt DKMS LIFE dort auch seit vielen Jahren bei der Organisation der look good feel better Kosmetikseminare. Im Interview spricht sie mit uns über die noch nie dagewesenen Einschränkungen während der Corona-Pandemie und wie sie diese selbst und für Krebspatientinnen erlebt hat. Außerdem erzählt sie uns, was sie krebskranken Frauen für die Zeit der Isolation rät und wie Außenstehende die Patientinnen bestmöglich unterstützen können.

Wie erleben Sie die Einschränkungen der Corona-Pandemie in der Klinik und speziell für Krebspatientinnen?

Für uns Ärzte herrschte gerade zu Beginn der Corona-Pandemie mit dem kompletten Lockdown eine ganz gespenstische Atmosphäre in der Klinik.. Der Zugang zum Gelände wurde stark beschränkt und auch das „Normalprogramm“ musste ja zurückgefahren werden. Das habe ich in 20 Jahren noch nie so erlebt. Auf den Stationen war alles wie in einer Schockstarre, aber in der Chemo-Ambulanz lief alles wie immer im Normalbetrieb.

Für die Krebspatientinnen war ebenfalls einiges anders und es gab einige neue Hürden zu überwinden. Auch für sie war der Zugang zur Klinik erschwert durch einen Sicherheitsdienst, dem man zunächst seinen Ausweis zeigen musste. Es durften keine Begleitpersonen mehr zur Therapie oder zu Arztgesprächen dazukommen. Für Angehörige, die dringend in die Klinik kommen mussten, gab es einen Zugangsausweis per SMS.

Es gab auch einige Einschränkungen bei den Untersuchungen. Einige Patientinnen hatten z.B. auch Angst für die Blutabnahme in die Hausarztpraxis zu gehen, weil sie befürchteten, sich dabei mit dem Corona-Virus anzustecken. Zum Teil wurden sogar CTs abgesagt aus Angst vor einer Infektion.

Mittlerweile hat es sich wieder etwas gebessert. Die Routine läuft wieder, die Zugangsbeschränkungen zur Klinik wurden etwas gelockert.

 

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen und Belastungen für Krebspatientinnen durch die Corona-Pandemie?

Ganz spontan fällt mir als Erstes ein: die große Angst vor einer Infektion. Es herrschte gerade am Anfang eine große Unsicherheit in dieser Hinsicht: „Kann die Therapie trotz Corona fortgesetzt werden? Was passiert, wenn ich mich anstecke?“

Für viele Menschen war die Zeit des Lockdowns sehr schwierig. Aber wie viel schwerer muss es für die Krebspatientinnen gewesen sein, die wirklich eine sehr große Angst vor einer Infektion als Hochrisikopatientin haben mussten? Auch jetzt ist es trotz zurückgehender Corona-Infektionen immer noch eine Angst, mit der Krebspatientinnen zurzeit leben müssen.

Neben der Angst vor einer Infektion ist die soziale Isolation zum Teil aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus oder auch auf ärztlichen Rat hin die zweite große Belastung für die Krebspatientinnen. Die Besuche werden massiv eingeschränkt. Viele betroffene Frauen waren bzw. sind nur noch Zuhause und nicht einmal mehr einkaufen. Sie können nicht mehr am normalen Leben teilnehmen.

Ganz schwer ist es auch, dass Begleitpersonen bei wichtigen Arztgesprächen in den Kliniken nicht mehr dabei sein dürfen. Mehrmals haben wir Gespräche geführt, bei der die Patientin vor mir saß und der Mann im Auto vor der Klinik und wir ihn per Handylautsprecher zugeschaltet haben. Denn eine Bezugsperson, die nachfragt, woran die Patientin in dieser Ausnahmesituation nicht denkt, und auch noch einmal über das Gespräch reflektiert, ist so enorm wichtig für viele Patientinnen. Auch ich als Ärztin bin oft froh, wenn da noch jemand ist, der die vielen Informationen, z.B. wie und wann die Medikamente genommen werden sollen, mit nach Hause nimmt.

Ich muss aber wirklich herausstellen: Ich finde, dass es alle Krebspatientinnen großartig gemacht haben. Ich habe ganz oft innerlich den Hut gezogen vor diesen Frauen, dass sie die Therapie so tapfer fortsetzen und versuchen, mit ihren Ängsten umzugehen.

 

Dr. Beate Rautenberg

Was raten Sie als Ärztin Krebspatientinnen, um gut durch die Zeit der Isolation zu kommen?

Mein erster Rat ist, sich psychosoziale Unterstützung zu suchen wie es eben geht: Wenn man sich nicht persönlich treffen kann, dann kann man Telefonate mit der Freundin oder der Familie führen. Generell einfach, kreativ mit den neuen Medien umgehen: Skype, Zoom etc. nutzen, um in Verbindung zu bleiben und sich nicht komplett sozial zu isolieren.

Auch zu Arztgesprächen kann man Bezugspersonen mit dem Handy einbinden, wie zuvor beschrieben.

Außerdem rate ich immer, sich bewusst schöne Elemente in den Alltag einzubauen. Also z.B. morgens einen Tagesplan zu erstellen und bewusst eine schöne Sache in den Tag zu integrieren. Sich zu fragen: Was tue ich mir Gutes heute? Das kann ein Spaziergang im Wald sein oder ein Picknick mit der Familie oder sonst irgendetwas, was mir gut tut. Man sollte sich ganz bewusst positive Gegenmomente setzen, um die Krankheit nicht komplett ins Zentrum zu stellen.

Außerdem ist es auch wichtig, trotzdem einen Alltag und ein Stück Normalität weiterzuleben. So tut es manchen Patientinnen – und natürlich nur denen, die es möchten und denen es möglich ist – gut, in gewissem Maße weiter zu arbeiten, z.B. im Homeoffice; also etwas zu leisten, was man auch vorher geleistet hat. Das ist oft ganz wichtig fürs Selbstwertgefühl, was während der Erkrankung leidet.

Was würden Sie Angehörigen – Familie, Freunden – raten, um Krebspatientinnen jetzt bestmöglich zu unterstützen?

Als erstes können sie natürlich bei den Alltagsdingen unterstützen, also z.B. für die Patientin einkaufen gehen, um das Infektionsrisiko zu minimieren. Aber genauso wichtig ist es, weiterhin einfach den Kontakt zu den Frauen zu halten, damit keine soziale Isolation entsteht.

Und was ich auch oft von den Patientinnen höre: „Ich möchte nicht die ganze Zeit bemitleidet oder in Watte gepackt werden. Ich will nicht immer auf die Krankheit reduziert werden und nur noch darüber reden.“

Das bedeutet z.B. für die Angehörigen, den Alltag so normal zu gestalten wie es geht; auch einmal über andere Themen und Alltagssorgen zu sprechen, damit der Krebs aus dem Zentrum des Lebens in die Ecke gedrängt wird.

Welche Bedeutung haben die look good feel better Kosmetikseminare für Krebspatientinnen aus Ihrer Sicht?

Wie eben angesprochen leidet oft das Selbstwertgefühl der Krebspatientinnen während der Zeit der Erkrankung. Die look good feel better Kosmetikseminare können dabei helfen, es wieder zu stärken. Es ist für diejenigen Frauen, die teilnehmen sehr wertvoll: verwöhnen zu lassen, eine tolle Tasche mit den Kosmetikprodukten geschenkt zu bekommen, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen und etwas Schönes in dieser schlimmen Zeit zu erleben, gibt den Patientinnen ganz viel: Einfach einmal nicht an die Krankheit, sondern nur an sich zu denken. Es ist so schön, wenn sie am Ende in den Spiegel gucken und sagen: „Mensch, sehe ich toll aus!“

Ich begleite das Programm schon fast 20 Jahre und ich bin immer glücklich, wenn ich in die strahlenden Gesichter der Frauen gucke und den Austausch untereinander und die Freude miteinander erlebe.

Wie schätzen Sie die neuen Online-Kosmetikseminare als Alternative ein?

Ich finde es toll, dass nun die look good feel better Online-Kosmetikseminare für Krebspatientinnen angeboten werden und DKMS LIFE damit eine kreative Alternative gefunden hat, solange wir die Vor-Ort-Seminare in der Klinik nicht anbieten können. Sicherlich lassen sich die Vor-Ort-Seminare dadurch nicht 1 zu 1 ersetzen. Aber während der Corona-Pandemie ist das eine gute Möglichkeit, den Patientinnen trotzdem etwas Gutes zu tun. Darüber hinaus ist das Online-Kosmetikseminar vielleicht sogar für manche Patientin generell eine gute Alternative zur Veranstaltung in der Klinik. Wir haben z.B. ein sehr großes Einzugsgebiet bis hin zum Bodensee und manche Frau fährt 1,5 Stunden bis zu uns in die Klinik. Wenn sie an dem Online-Kosmetikseminar teilnehmen kann, spart sie sich diese anstrengende Fahrt. Eventuell trauen sich auch zurückhaltende Patientinnen eher an einem Online-Seminar in den eigenen, vertrauten vier Wänden teilzunehmen als in der großen Runde in der Klinik.